Überstunden richtig anordnen

Überstunden gehören in fast jedem Arbeitsverhältnis zur Realität. Nicht selten wird dieser Punkt jedoch zu einem Streitthema. Arbeitgeber sollten deshalb kein Risiko eingehen und von Anfang an für eine klare und verständliche Regelung sorgen.

Unter Überstunden versteht man allgemein Überschreitungen der durch Arbeitsvertrag, Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung festgelegten regelmäßigen Arbeitszeit.

Wichtig: Es besteht keine gesetzliche Regelung für Überstunden. Arbeitgeber können aus diesem Grund nur Überstunden anhand einer entsprechenden Vereinbarung von ihren Mitarbeitern verlangen. In der Regel sollte diese im Arbeitsvertrag enthalten sein, alternativ ist aber zum Beispiel auch eine Vereinbarung mit dem Betriebsrat.

Direktionsrecht?

Allein auf Grund ihres Direktionsrechts können Arbeitgeber keine Überstunden anordnen. Eine Ausnahme kann in extrem Notfallsituationen, wie etwa einem Brand, möglich sein. Hier sind jedoch enge Grenzen zu ziehen. Das Fristende für die Bearbeitung eines Auftrages oder ein plötzlich eingehender Auftrag gehören allerdings nicht dazu.

Um möglichen Problemen und Streitereien aus dem Weg zu gehen, sollten Arbeitgeber darauf achten, eine Überstunden-Klausel im Arbeitsvertrag unterzubringen. Oberstes Gebot ist dabei Transparenz. Die Klausel muss exakt festlegen, wie viele Überstunden der Arbeitgeber von seinem Arbeitnehmer verlangen darf. Ansonsten droht die Unwirksamkeit der Klausel. Für den Arbeitnehmer muss erkennbar sein, was auf ihn zukommen kann und wie viele Überstunden im Maximalfall angeordnet werden können. In der Vergangenheit wurden etliche Überstunden-Klauseln von der Rechtsprechung „kassiert“, da sie eben diesen Voraussetzungen nicht entsprachen. Rechtlicher Rat kann hier im Einzelfall sinnvoll sein, um auf der sicheren Seite zu sein.

Mehrarbeit oder Überstunden?

Wichtig ist zudem die Unterscheidung von Mehrarbeit und Überstunden. Als Mehrarbeit wird die Arbeitszeit bezeichnet, die die gesetzliche Regelarbeitszeit (acht Stunden pro Werktag/48 Stunden pro Woche) übersteigt. Diese Höchstarbeitszeiten sind im Arbeitszeitgesetz geregelt. Von Überstunden spricht man, wenn ein Mitarbeiter seine persönlich für ihn geltende Arbeitszeit überschreitet. Ist ein Betriebsrat vorhanden, entscheidet dieser nach dem Betriebsverfassungsgesetz mit, ob und in welchem Umfang, an welchen Wochentagen und von welchen Mitarbeitern Überstunden gemacht werden.

Viele Arbeitsverträge enthalten zudem Klauseln, die Überstunden bei betrieblichen Erfordernissen anordnen. Diese sind grundsätzlich wirksam. Jedoch sind für einen Arbeitgeber zahlreiche Faktoren zu beachten. Denn der arbeitsvertragliche Vorbehalt, die Dauer der Arbeitszeit nach den betrieblichen Erfordernissen einseitig dem Weisungsrecht des Arbeitgebers zu überlassen, ist unwirksam. Dem allgemeinen Weisungsrecht des Arbeitgebers kommt lediglich eine Konkretisierungsfunktion hinsichtlich der im Arbeitsvertrag enthaltenen Rahmen-Arbeitsbedingungen zu. Ausgenommen vom Weisungsrecht ist dagegen der Umfang der beiderseitigen Hauptleistungspflichten – dazu gehört auch die Arbeits- und Vergütungspflicht. Er gehört zum Kernbereich des Arbeitsverhältnisses und kann nur durch Gesetz, Kollektiv- oder Einzelarbeitsvertrag gestaltet werden.

Für Arbeitgeber ist es also gerade hier wichtig, eine entsprechende Klausel transparent und bestimmt zu formulieren. Sich lediglich auf „betriebliche Erfordernisse“ zu beziehen ist nicht konkret genug. Deshalb sollte ein Arbeitgeber im Arbeitsvertrag zumindest die Anzahl der möglichen Überstunden begrenzen und diese auch beziffern. Möglich ist auch der ausdrückliche Hinweis auf das Arbeitszeitgesetz und eine danach zulässige wöchentliche Höchstarbeitszeit.

Pauschale Abgeltung?

Eine pauschale Abgeltung von Überstunden ist laut Bundesarbeitsgericht nicht wirksam. So genüge die Klausel „erforderliche Überstunden sind mit dem Monatsgehalt abgegolten“ nicht dem Transparenzgebot, wenn sich der Umfang der danach ohne zusätzliche Vergütung zu leistenden Überstunden nicht hinreichend deutlich aus dem Arbeitsvertrag ergibt. Eine Klausel, die sich auf die pauschale Vergütung von Mehrarbeit beziehe, sei nur dann hinreichend klar und verständlich, wenn sich aus dem Arbeitsvertrag selbst ergebe, welche Arbeitsleistungen von ihr erfasst werden sollen. Ansonsten könne ein Arbeitnehmer nicht erkennen, ab wann ein Anspruch auf zusätzliche Vergütung für ihn bestehe. Der Arbeitnehmer müsse anhand eines klar bestimmten Umfanges der Leistungspflicht beziehungsweise einer genau festgelegten Begrenzung der Befugnis zur Anordnung von Überstunden bereits bei Vertragsschluss erkennen können, was im Extremfall auf ihn zukommt und welche Leistung er für die vereinbarte Vergütung maximal erbringen muss.

Wichtig ist zudem, dass die Anzahl der Überstunden das übliche Maß nicht überschreiten. Eine zulässige Bestimmung ist zum Beispiel dann gegeben, wenn sie vorsieht, dass eine Überschreitung der vertraglich vereinbarten Wochenarbeitszeit von wöchentlich bis zu zehn Prozent bereits mit dem Monatslohn abgegolten und somit nicht gesondert zu bezahlen ist. Klauseln mit zehn Prozent sind durchaus üblich und vom Bundesarbeitsgericht für wirksam erklärt worden.

Freizeitausgleich?

Abgesehen von der Abgeltung der Überstunden oder einem finanziellen Ausgleich, der sich entweder nach der Regelung im Tarifvertrag (falls vorhanden), der Regelung im Arbeitsvertrag oder bei einer fehlenden Regelung im Arbeitsvertrag nach der Branchen- und Betriebsüblichkeit richtet, können Arbeitgeber auch einen Freizeitausgleich anordnen. Dabei haben diese das Recht, den Zeitpunkt des Freizeitausgleichs selbstständig festzulegen. Zu beachten ist allerdings, dass sie die Arbeitsfreistellung dem Arbeitnehmer so rechtzeitig mitteilen, dass er sich noch ausreichend auf die zusätzliche Freizeit einstellen kann. Andernfalls ist die Anordnung unwirksam. Doch auch ein Freizeitausgleich muss im Arbeitsvertrag, oder in einem entsprechenden Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung vereinbart sein. Fehlt es an einer solchen Vereinbarung, so kann der Arbeitgeber einen bereits entstandenen Anspruch auf Vergütung für geleistete Überstunden nicht einseitig durch Freistellung von der Arbeit erfüllen. Für viele Arbeitgeber aber auch für viele Arbeitnehmer ist der Ausgleich von Überstunden durch Freizeit attraktiver als die Bezahlung von Überstundenlohn. Wichtig ist auch hier eine klare und transparente Regelung, um späteren Streitigkeiten aus dem Weg zu gehen.

Leitender Angestellter?

Eine wichtige Ausnahme sind Überstunden von Angestellten, deren Vergütung über der Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung liegt. Leitende Angestellte, die mehr als monatlich 6.200 Euro in Westdeutschland (2016) beziehungsweise 5.400 Euro in Ostdeutschland verdienen, haben keinen grundsätzlichen Anspruch auf Vergütung entschied das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 22. Februar 2012, Az. 5 AZR 765/10). In der Begründung wird angeführt, dass ein leitender oder höherer Angestellter meist nach der Erfüllung seiner Aufgaben bezahlt wird, nicht allein nach den abzuleistenden Stunden.

Als leitende Angestellte werden solche Kräfte bezeichnet, die mit der Wahrnehmung von wesentlichen Arbeitgeberfunktionen betraut sind. Entscheidend ist hierbei eine Gesamtwürdigung der Befugnisse. Wichtige Kriterien dabei sind zum Beispiel Einstellungs- und Entlassungsbefugnis, eine nicht unbedeutende Handlungsvollmacht oder Prokura, oder die Übertragung sonstiger Aufgaben in unternehmerischer Funktion. Ist einer dieser Punkte dauerhaft zu bejahen, ist er in der Regel Leitender Angestellter im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes.